Pressetext zur Ausstellung „unauslotbar“, 2020

Dr. Carola Schneider

„Reinhard Hölker zeigt im Erdgeschoss Installationen, Video-Projektionen, Skulpturen und Objekte, die größtenteils extra für diese Ausstellung konzipiert wurden. Der Ausstellungstitel „unauslotbar“ ist Programm – vieles, was hier zu sehen ist, gibt Rätsel auf, fragt nah der Verortung von Dingen und Lebewesen und stellt so manche Vorstellung von der Welt auf den Kopf: Wieso schweben hier Objekte in der Luft, die sonst fest mit dem Boden verankert sind? Was hat ein federnbestückter Stuhl zu bedeuten? Ist ein Käfig, in dem lebendige Tiere gehalten werden könnten, noch ein Käfig, wenn er als schamanenhaftes Objekt von der Decke hängt? Warum werden tote Tiere gewogen?

Baumstämme haben ihre Bodenhaftung verloren und zehn Eisenstäbe werden von einem Birkenstück in fragilem Gleichgewicht wie von einer Seiltänzerin gehalten. Eine Sackkarre scheint für einen Riesen modifiziert worden zu sein ebenso wie der „Blumenstrauß“ aus Holzstämmen im Blechfass. Reinhard Hölker spielt mit Größenverhältnissen und stellt das Empfinden für das rechte Maß auf die Probe.

Nicht nur Leichtes und Schweres, auch Totes und Lebendiges sind hier keine unüberwindbaren Gegensätze: Fünf Tierpräparate sind in einer laborähnlichen Anordnung auf Waagen platziert. Die wie in einem Naturkundemuseum präsentierten Tiere – Rehkitz, Fuchs, Kugelfisch und Forelle – wirken gespenstisch, skurril und anrührend zugleich. Sie sind tot, nur noch bloße Materie, aber erwecken den Anschein, sie wären lebendig und würden nur kurz für einen Moment innehalten. Auch der grazile Wasserläufer scheint sich nur für kurze Zeit auf der Briefwaage niedergelassen zu haben. Im Film einer Videoinstallation imitiert ein Mann die Kopfbewegungen und die Rufe einer Krähe. Wird hier ein Tier vermenschlicht oder das Animalische im Menschen gezeigt? In einem auf eine Schieferplatte projizierten Video erzeugt das sich öffnende und schließende Auge eines Krokodils die Assoziation eines menschlichen Blicks. Reinhard Hölker hinterfragt mit leiser Ironie und subtilen Wahrnehmungsverschiebungen das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, Technik und Natur und lotet die feinen Übergänge zwischen Illusion und Wirklichkeit aus.“